Methode zur Leistungsermittlung von Medien und Vorrichtungen zur Reinigung der Gasphase für die allgemeine Lüftung – Teil 3: Klassifizierungssystem für die Behandlung von Außenluft
2019 lebten 99 % der Weltbevölkerung unter Bedingungen, welche die Vorgaben der damaligen WHO-Luftqualitätsleitlinien nicht einhielten.1 2021 wurde die Luftgüteleitlinie der WHO novelliert. Einhergehend werden strengere Grenzwerte für die Anforderungen an die Außenluft und die Innenluft empfohlen.2 Denn Risiken, welche von Luftverschmutzungen ausgehen, werden mittlerweile als größte Gefahr für die menschliche Gesundheit angesehen.3 Dabei rücken auch Schadgase vermehrt in den Fokus.
Fast im selben Atemzug gibt es Neuerungen in puncto des Prüfstandards ISO 10121 für Aktivkohlefilter zu vermelden! Denn seit 2022 ist der dritte Teil der Normenreihe aktiv. Teil 3 etabliert ein neues Klassifizierungssystem für Aktivkohlefilter mit den Filterklassen Light Duty (LD), Medium Duty (MD) und Heavy Duty (HD), welches wir im Folgenden genauer betrachten.
1 Vgl. Velasco, R. et al (2022): S. 2.
2 Vgl. WHO (2021a): S. 8.
3 Vgl. WHO(2021b): S. XIV.
Abb.1: Historische Entwicklung der Teile 1-3 gemäß ISO 10121
Die Prüfnorm ISO 10121 umfasst drei Teile zur Leistungsermittlung von Medien und Vorrichtungen zur Reinigung von Gasphasen für die allgemeine Lüftung. Teil 1 wurde 2014 veröffentlicht. Hierbei beschreibt die ISO 10121-1:2014 ein Prüfverfahren für drei verschiedene Arten von Filtermedien zur Reinigung von Gasphasen.4 Teil 2 wurde bereits 2013 veröffentlicht. Dabei geht die ISO 10121-2:2013 auf notwendige Einrichtungen zur Reinigung von Gasphasen ein.5
Seit 2022 komplettiert Teil 3 die Normenreihe. Der Prüfstandard ISO 10121-3 legt Anforderungen und Prüfverfahren für die Reinigung von Gasphasen fest, die in der Raumlufttechnik zum Einsatz kommen. Zudem führt die ISO 10121-3:2022 erstmalig ein eigenes Klassifizierungssystem für Molekularfilter bzw. gas-phase air cleaning devices (GPACD) ein.6
4 Vgl. DIN EN ISO 10121-1 (2014): S. 5.
5 Vgl. DIN EN ISO 10121-2 (2013): S. 5.
6 Vgl. ISO 10121-3 (2022): S. 1.
Um die Leistungsfähigkeit eines Aktivkohlefilters zu ermitteln, wird die Prüfung von Molekularfiltern gemäß ISO 10121-3 mit den Testgasen Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2) und Toluol (C7H8) absolviert.
Im Fokus steht insbesondere die Wirkungsweise von anfallendem Ozon im Bodenbereich. Beispielsweise ist Sommersmog, welcher durch Reaktionen von Gasen und Sonnenlicht erzeugt wird, eine der häufigsten Quellen für Ozon. Die Luftgüteleitlinie der WHO weist einen Grenzwert von maximal 60 µg/m³ als mittlere Konzentration über einen Sechs-Monats-Zeitraum aus.7
7 Vgl. WHO (2021a): S. 5-6.
Stickstoffdioxid tritt größtenteils durch die Verbrennung von Kraftstoff im Verkehrsbereich, Transportwesen sowie in der Industrie auf. Der empfohlene WHO-Grenzwert liegt auf das Jahr betrachtet bei einer mittleren Konzentration von maximal 10 µg/m³.8
8 Vgl. WHO (2021a): S. 5-6.
Schwefeldioxid ist ein stark riechendes, farbloses Gas. SO2 wird beispielsweise durch Verbrennungsprozesse von Kraftstoffen wie Öl und Kohle oder beim Schmelzen von Mineralerzen, die Schwefel enthalten, freigesetzt. Die Luftqualitätsrichtlinie der WHO empfiehlt eine mittlere Konzentration von täglich höchstens 40 µg/m³.9
9 Vgl. WHO (2021a). S. 5-6.
Gas | Durchschnittliche Zeit | 2021 AQG *-Level |
O3 | Warme Hochsaison (6 Monate) | 60 |
8 Stunden | 100 | |
NO2 | Jährlich | 10 |
24 Stunden | 25 | |
SO2 | ||
24 Stunden | 40 | |
AGQs= Air Quality Guideline
Quelle: eigene Darstellung i.A.a. WHO 2021a: S. 135.
Abb. 2: Empfohlene Grenzwerte der WHO-Luftgüteleitlinie
Toluol wird gemäß ISO 10121-3 als Referenzgas für flüchtige organische Verbindungen (VOC = Volatile Organic Compounds) eingesetzt. Natürliche Quellen von VOC sind überwiegend im Bereich der Vegetation wie Wäldern, Ozeanen etc. zu finden. Anthropogene, vom Menschen ausgelöste Quellen werden dagegen im Verkehrssektor und durch industrielle Prozesse hervorgerufen.10
10 Vgl. Parvin, Mitali et al (2016): S. 101-103.
Aktivkohlefilter sind zur Adsorption dieser Schadgase prädestiniert, da gängige Luftfilter zur Partikelabscheidung für die sehr kleinen Moleküle nicht ausreichen. Dabei ist die Adsorptionsleistung von Aktivkohlefiltern von verschiedenen Faktoren abhängig. Zunächst ist die Konzentration an verunreinigter Luft sowie der anfallende Volumenstrom am Einsatzort zu bewerten. Luftfeuchtigkeit und Temperatur beeinflussen die Adsorptionsleistung ebenfalls. Bei der Herstellung des passenden Molekularfilters ist eine geeignete Korngröße der Aktivkohle auszuwählen und diese entsprechend im Filtermedium zu verteilen. Dabei gilt es auch Alterungsprozesse zu berücksichtigen. Diese können beispielsweise durch mechanische Einflüsse während des Betriebs hervorgerufen werden. Letztlich ist die Beweglichkeit des jeweiligen Trägergases in einem Aerosol einzubeziehen, um die gewünschte Adsorptionsleistung zu erzielen.13
13 Vgl. IUTA (2021): S. 63.
Zur Klassifizierung gemäß ISO 10121-3 wird die Adsorptionsleistung eines Aktivkohlefilters gegenüber den Schadgasen Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2) und Toluol (C7H8) bewertet. Dabei ist für jedes Schadgas jeweils ein Aktivkohlefilter identischen Bautyps zu verwenden, um das Prüfergebnis nicht durch andere Substanzen zu beeinflussen.
Während der Prüfung werden folgenden Klassifizierungsmerkmale erfasst:
Die Anfangseffizienz ergibt sich mit Durchbruch des Prüfgases durch den Testfilter. Die aufgenommene Kapazität des Schadgases wird als Masse [g/m²] oder als Stoffmenge [mol/m²] an durchströmender Menge an Prüfgas durch den Aktivkohlefilter erfasst. Dabei sind die in Stoffmenge erfassten Einstufungen mit 1,5, 6 und 24,0 für alle Testgase identisch und erhöhen sich jeweils um den Faktor 4 über die Filterklassen Light Duty (LD), Medium Duty (MD) oder Heavy Duty (HD). Auf die Masse bezogen wird das Ranking ebenfalls in Light, Medium und High Duty eingeteilt. Allerdings sind bei den Gasen unterschiedliche Molekülmassen zu beachten, sodass die zu erzielenden Werte je nach Testgas voneinander abweichen.11
Gas | mol/m² | g/m² | ||||
LD | MD | HD | LD | MD | HD | |
O3 | 1,5 | 6,0 | 24,0 | 72 | 288 | 1152 |
NO2 | 1,5 | 6,0 | 24,0 | 96 | 384 | 1538 |
SO2 | 1,5 | 6,0 | 24,0 | 69 | 276 | 1104 |
Toluol | 1,5 | 6,0 | 24,0 | 138 | 553 | 2211 |
Quelle: ISO 10121-3:2022: S. 13.
Abb. 3: Filterklassen gemäß ISO 10121
Die Effizienz des Testfilters wird erfasst, bis der Wert unter 50% fällt. Der Test wird dann gestoppt und es folgt final die Zuteilung in die Leistungsgrade Light Duty (LD), Medium Duty (MD) oder Heavy Duty (HD) sowie die Zuweisung des Werts gemäß der durchschnittlichen Effizienz , welcher in 5%-Schritten abgerundet wird. Für Aktivkohlefilter mit einer Effizienz ≤ 50 % existiert noch die Filterklasse very Light Duty (vLD).12
Die Erfassung der Anfangsdruckdifferenz und Enddruckdifferenz gemäß ISO 10121-3 wird empfohlen, ist aber nicht zwingend erforderlich, da die Adsorption von Schadgasen in der Regel kaum zu einem nennenswerten Anstieg der Druckdifferenz eines Aktivkohlefilters führt.
11 Vgl. ISO 10121-3 (2022): S. 13.
12 Vgl. ISO 10121-3 (2022): S. 8.
Zur besseren Einordnung der neuen Filterklassen kann bei einem Aktivkohlefilter mit der Filterklasse Medium Duty 90 (MD 90) von einer vierfach höhere Lebensdauer gegenüber einem spezifischen Schadgas ausgegangen werden als bei einem Pendant mit der Filterklasse Light Duty 90 (LD 90). Bei einem Aktivkohlefilter der Filterklasse Heavy Duty 90 (HD 90) wächst die Einsatzdauer sogar auf das 16-fache gegenüber dem Aktivkohlefilter mit der Filterklasse Light Duty 90 (LD 90) an.
Abb. 4: Lebensdauer von Aktivkohlefiltern LD 90, MD 90 & HD 90 im Vergleich
Die Prüfnorm ISO 10121-3:2022 etabliert erstmalig ein Klassifizierungssystem für Aktivkohlefilter. Anhand der Filterklassen kann die Adsorptionsleistung für unterschiedliche Gasphasen bestimmt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Gasphasen während des Tests höher konzentriert sind, als es in der Innenraumluft gewöhnlich der Fall ist. Die Prüfgaskonzentration entspricht ca. dem Tausendfachen an realer Konzentration, um die Prüfung in wenigen Stunden realisieren zu können. Mit realen Gaskonzentrationen würde ein Test ansonsten mehrere Monate dauern. Außerdem sind die Ergebnisse zweier Prüfungen von Aktivkohlefiltern nur vergleichbar, wenn die Versuchsbedingungen (Nennvolumenstrom etc.) identisch sind.
Diesbezüglich gilt es auch die Aussagekraft der Adsorptionsleistung des Ersatzgases Toluol während der Prüfung gegenüber der Adsorptionsleistung von VOC in der realen Anwendung genauer zu bewerten.14 Denn laut eines Berichts des Instituts für Energie und Umwelttechnik sei Toluol zwar durchaus als Referenzgas geeignet, allerdings sei angeraten, den Test auch mit einer anderen Gasphase zu vollziehen, wenn diese je nach Anwendung besonders im Fokus steht.15
Mit der Einteilung von Aktivkohlefiltern in die Filterklassen Light Duty, Medium Duty und Heavy Duty gemäß ISO 10121 wird die Aussagekraft hinsichtlich einer möglichen Einsatzdauer und somit der Vergleich zwischen unterschiedlichen Aktivkohlefiltern aber immens vereinfacht. Gerne unterstützt Sie unser Team dabei, den passenden Aktivkohlefilter mit einer geeigneten Adsorptionsleistung für Ihre Anwendung auszuwählen.
14 Vgl. Ligotski, R. et al (2018): S. 467-474.
15 Vgl. IUTA (2021): S. 62.
Wie viele Teile der ISO 10121 sind bis zum heutigen Stand aktiv?
DIN EN ISO 10121-1 (2014): Methode zur Leistungsermittlung von Medien und Vorrichtungen zur Reinigung der Gasphase für die allgemeine Lüftung – Teil 1: Medien zur Reinigung der Gasphase (ISO 10121-1:2014); Deutsche Fassung EN ISO 10121-1:2014, S. 1-48.
DIN EN ISO 10121-2 (2013): Methode zur Leistungsermittlung von Medien und Vorrichtungen zur Reinigung der Gasphase für die allgemeine Lüftung – Teil 2: Einrichtungen zur Reinigung der Gasphase (GPACD) (ISO 10121-2:2013); Deutsche Fassung EN ISO 10121-2:2013, S. 1-50.
IUTA - Institut für Energie- und Umwelttechnik e.V. (2021): Verhalten von Adsorptionsfiltern und –medien für die Raumlufttechnik gegenüber innenraumrelevanten Schadstoffen währen der Betriebsdauer, in Innovationsreport 2021, Bereich Partikelprozesstechnik & Charakterisierung, S. 1-124.
ISO 10121-3 (2022): Test methods for assessing the performance of gas-phase air cleaning media and devices for general ventilation — Part 3: Classification system for GPACDs applied to treatment of outdoor air, S. 1-24.
Ligotski, R. / Sager, U. / Schmidt, F. (2018): Die Durchführung von Adsorptions-Filtertest gemäß DIN EN ISO 10121 – Teil 1: Adsorptionsversuche an Filtermedien, in Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, 78, Nr. 11/12, S. 466- 474.
Parvin, Mitali / Van Langenhove, Herman / Walgraeve, Christophe / Do Hoai Duc (2016): Indoor-Outdoo Volatile Organix Compounds (VOCs) levels: The Case of Dhaka Urban and Industrial Area, Journal of Modern Science and Technology, Vol. 4, No. 1, September, S. 97-127.
Velasco, R. / Jarosinska, D. (2022): Update of the WHO global air quality guidlines: Sytematic reviews – An introduction, in: Environment International, 170, S. 1 - 6.
World Health Organization (2021a): Globale Luftgüteleitlinien der WHO – Feinstaubpartikel (PM2,5 und PM10), Ozon, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid – Zusammenfassung, S. 1-10.
World Health Organization (2021b): WHO global air quality guidelines – Particulate matter (PM2,5 and PM10) ozone, nitrogen dioxide, sulfur dioxide and carbon monoxide, S. 1 – 273.